Tellington Touches für Katzen

Tellington Touches für Katzen: Interview Birga Dexel mit Karina Heuzeroth.

Karina Heuzeroth, Tellington TTouch-Lehrerin für Pferde als auch für Hunde/Katzen/Haustiere. Sie lebt momentan mit ihren beiden Hunden und den Familienpferden in der Natur des Westerwaldes. Katzen waren auch immer Teil ihres Lebens. Momentan gibt es leider keine Katzen in ihrem Leben, das wird sich baldmöglichst ändern.                        

Birga: Liebe Karina, wir arbeiten seit vielen Jahren zusammen und du hast einigen meiner Studierenden der Katzenverhaltensberatung die Grundlagen des Tellington TTouches für Katzen nähergebracht. Ich nutze selber seit vielen Jahren Tellington-Touches: bei Katzen und bei Pferden. Ich liebe auch Pferde, beschäftige mich seit geraumer Zeit aber aus Zeitmangel nur noch privat mit diesen wunderbaren Wesen.

Besonders berührt hat mich vor vielen Jahren das persönlichen Kennenlernen von Linda Tellington-Jones im Rahmen eines Pferdekurses, den sie in Berlin gab. Mich hat ihr ehrliches Interesse an Tieren, an meiner Arbeit mit  Katzen und Schneeloparden und auch ihr ständiger Wunsch ihre Methode zu verbessern sehr beeindruckt. Auch die Zusammenarbeit mit der erfahrenen und warmherzigen Tellington-Lehrerin Eddie Jane Eaton, deren Kurse ich im Pferdezentrum Reken übersetzen durfte, war ein wunderbares Erlebnis.

Tellington Touches werden von vielen eher mit Pferden und Hunden in Verbindung gebracht und mit großem Erfolg von etlichen Reitern und Reiterinnen vor und nach dem Reiten zum Beispiel eingesetzt. Unter anderen arbeiten auch erfolreiche Dressurreiterinnen mit der Methode.

Der bekannte Entertainer und große Katzenfreund Harpe Kerkeling hat in einigen Interviews zu seinem Buch „Pfoten auf dem Tisch“ sich begeistert über Tellingtongriffe für Katzen geäußert. Könntest Du unseren Lesern kurz erklären, was Tellington TTouches sind und was die Tellington Methode ausmacht?

Karina: Tellington TTouches sind leicht zu erlernende und gleichzeitig sehr effektive Berührungen, die eine tiefgreifende Wirkung auf das Nerven- und Zellsystem haben. Aus diesem Grund unterstützen sie sowohl bei gesundheitlichen Themen als auch bei Verhaltensauffälligkeiten. Trotz (oder gerade wegen) der Einfachheit dieser Berührungen erwirken sie oft unerwartete Ergebnisse. Ich erlebe immer wieder Kund*innen, die nach eigener Aussage bereits “alles versucht” haben, um ein Problem zu verbessern oder zu lösen – jedoch eben nicht die Tellington TTouch. Und genau diese machen dann den Unterschied. 

Es gibt viele verschiedene TTouches, am häufigsten ist es ein Verschieben der Haut über das Bindegewebe in einem Eineinviertelkreis/Fünfviertelkreis. Dies hat eine völlig andere Wirkung als ein Streicheln oder Kraulen. Angewandt werden die TTouches fast überall am Körper und am Kopf.

Birga: Was ist der Unterschied zwischen Tellington Touches und einer normalen Tiermassage?

Karina: Eine Massage kann eine entspannende Wirkung auf Muskelpartien haben, hat jedoch nicht die erwähnte Wirkung auf das Zell- und Nervensystem. Linda Tellington-Jones, die Entwicklerin der Tellington TTouches,  hat selbst in jungen Jahren viel Physiotherapie/Massage in ihrem  Ausbildungszentrum für Pferde in den USA angewandt. Nach ihrer Erfahrung hatte dies nicht die durch die TTouches häufigen positiven Verhaltensveränderungen zur Folge.

Birga: Für welche Katzen ist Tellington Touch geeignet?

Karina: Grundsätzlich für alle, auch an Körper, Geist und Seele gesunde Katzen, ob als prophylaktische Maßnahme oder als Wellness-Anwendung. Für Ataxie-Katzen ist Tellington TTouch eine vielversprechende Möglichkeit, dass sie mehr Kontrolle über ihren Körper erhalten und sicher beim Laufen/Gehen werden, auch dank dem Tellington-Körperband, einem weiteren sehr hilfreichen tool.

Birga: Können Katzenfreunde und Katzenfreundinnen die Touches selber bei Ihren Katzen anwenden oder müssen diese immer von einem Profi durchgeführt werden? Körperbandagen bei Katzen zum Beispiel können nicht einfach angelegt werden, da Katzen darauf ggf. mit Stress reagieren, sondern diese müssen mit dem Clickertraining antrainiert werden.

Karina: Ich mag gerade deshalb die Tellington TTouches sehr: Sie sind leicht zu lernen  und doch sehr effektiv – Hilfe zur Selbsthilfe eben! Jeder Katzen/Tiermensch kann sie lernen und bei seinem Tier anwenden. Einführungskurse wie wir sie in Deiner Online Akademie anbieten oder auch Einzelstunden vermitteln genügend Grundlagen für den Anfang, mit denen beim eigenen Tier viel bewirkt werden kann. Manchmal reichen sogar schon wenige TTouch-Sessions, manches Mal ist es nötig, kontinuierlich zu ttouchen. Wobei gerade bei Katzen kein stundenlanges TTouchen notwendig ist. Es ist natürlich sehr individuell von Katze zu Katze, manche haben nach wenigen Minuten genug zu verarbeiten und zu integrieren, manche möchten durchaus länger gettoucht werden.

Birga: Gibt es Deiner Erfahrung nach Katzen, die Tellington Touches nicht mögen?

Karina: Es ist möglich, und es gibt viele unterschiedliche Gründe dafür. Gerade Katzen reagieren immens sensibel auf Anspannung, die sie bei ihren Menschen spüren. Daher ist es hilfreich, selbst vor dem Beginn zur Ruhe zu kommen und körperlich und seelisch so entspannt wie möglich zu sein. Das ist eine gute Grundvoraussetzung für ein gutes Annehmen der TTouches seitens der Katze. Und dann gibt es viele verschiedene Handhaltungen, Druckstärken, auch die Geschwindigkeit der einzelnen TTouches kann individuell angepasst werden. So dass sich fast immer eine Möglichkeit findet, wie ich der Katze auf sanfte, nicht invasive Weise zeigen kann, dass TTouches einfach toll sind.

Birga: Du bist seit Jahrzehnten Tellington Practitionerin sowohl für Pferde als auch für Katzen, Hunde und auch Wildtiere. Wie bist Du selber zu dieser Methode gekommen ?

Karina: Über den “klassischen Tellington TTouch-Weg” – die Pferde. Meine Tochter, damals selbst noch ein Teenie, schenkte mir das Buch, das immer noch mein Lieblings-Tellington-Buch ist: Der neue Weg im  Umgang mit Tieren”. Zwar nicht pferde-spezifisch (einige Erlebnisse mit Katzen werden ebenfalls geschildert, und mit vielen anderen, auch wilden Tieren), aber in diesem Buch schildert Linda (Tellington-Jones) auf sehr beeindruckende und mitreissende Weise ihren Werdegang und wie die Tellington-Methode entstand. Daraufhin wollte ich mit unserem ersten Pferd unbedingt selbst Erfahrungen mit den TTouches machen, fuhr mit ihm zu Bibi Degn, der deutschen Tellington-Ausbildungsleiterin. Ich machte viele wunderbare Erfahrungen aufgrund der TTouches und der dazugehörigen Bodenarbeit und so kam der Wunsch auf, dies selbst anzuwenden und zu lehren.

Birga: Mit welchen Tieren praktizierst du Tellington?

Karina: Grundsätzlich geht es tatsächlich mit allen Tieren. Bei ganz kleinen wird z.B. nur ein Finger benutzt, bei Vögeln oft nur eine Feder. Als ich in Griechenland lebte, ttouchte ich die wundervollen Meeresschildkröten, die oft schwer verletzt im Rescue Center in der Nähe von Athen gesundgepflegt und auf das Auswildern vorbereitet wurden. Dank der TTouches konnte dieser Prozess in vielen Fällen deutlich beschleunigt werden.

Birga: Was waren deine schönsten Tellinton-Erfahrungen mit Tieren?

Karina: Als ich in Griechenland lebte, ttouchte ich die wundervollen weisen Meeresschildkröten, die oft schwer verletzt im Rescue Center Nähe Athen gesundgepflegt und auf das Auswildern vorbereitet wurden. Dank der TTouches konnte dieser Prozess in vielen Fällen deutlich beschleunigt werden.

Birga: Als passionierte Artenschützerin freut mich das natürlich besonders. In Griechenland leben noch wenige Exemplare der vom Aussterben bedrohten unechten Karettschildkröte (lat. Caretta caretta).

Es gab jedoch ebenfalls wundervolle Erfahrungen mit Tieren jeglicher Art ... Pferde, Katzen, Hunde, Schlangen, Vögel ... mit ihnen dank der TTouches auf Zellebene zu kommunizieren, ist immer wohltuend und zutiefst berührend, gleich, welcher Art das Tier ist.

Birga: Kann man etwas falsch machen bei den Ausführungen?

Karina: Solange der Mensch nicht verkrampft – was gerade Katzen sofort kritisieren Zwinkerndes Smiley- ist der einzig mögliche Effekt bei “fehlerhafter Ausführung”, dass der TTouch nicht die gewünschte Wirkung erzielt.

Birga: Leider sind viele Menschen fälschlicherweise der Meinung, dass Katzen nicht besonders kooperativ seien. Wie werden Deiner Erfahrung nach Tellington Touches von Katzen angenommen?

Karina: Viele Menschen gehen davon aus, dass Katzen TTouches an einigen Stellen wie z.B. dem Maul oder auch grundsätzlich nicht akzeptieren. Nach meiner Erfahrung kommt dies nur sehr selten vor. Wenn wir  – was bei jedem Tier selbstverständlich sein sollte – sehr achtsam, geduldig und ruhig ttouchen  und uns anfangs u.U. mit nur einem TTouch zufrieden geben, sind wundervolle Ergebnisse und Erlebnisse möglich. Dieser eine TTouch hinterlässt bei vielen Katzen mit ihrem sehr sensitiven Nervensystem bereits eine tiefgehende Wirkung, wir lassen etwas Zeit zum Verarbeiten der Information in Kopf und Körper, und oft nehmen sie dann nach einer Pause oder am nächsten Tag bereits gerne zwei, drei TTouches an und im weiteren Verlauf immer mehr und länger. Wobei gerade beim Tellington TTouch und natürlich ganz besonders bei Katzen gilt: “Weniger ist mehr”. Täglich eine halbe Stunde ist meist nicht nötig – die Katzen zeigen es, wann sie genügend Information zu verarbeiten haben.

Birga: Im letzten Sommer durften wir bei den Magic Thai Goblins, einer sehr seriösen Thaizucht, einen Tellingtonkurs mit Studierenden durchführen. Im Rahmen des Kurses hast Du ganze sanfte Touches bei einer trächtigen Katze kurz vor dem Werfen gegeben. Ein besonderes Geschenk war es dann der komplikationslosen Geburt der wunderbaren Thaikitten beizuwohnen. Uns beide hat dieses Erlebnis sehr berührt. Was hast Du generell für Erfahrungen mit Katzen und Tellington Touches sammeln können?

Karina: Hauptsächlich, dass tatsächlich bei Katzen alle TTouches möglich sind, die auch bei anderen Tierarten angewandt werden. Wie ich oben bereits erwähnte: Mit der nötigen Achtsamkeit, Geduld und der Bereitschaft, mich mit – anscheinend – nur wenig Input zufrieden zu geben und darauf zu vertrauen, dass es nachwirkt. Selbst Pfoten- und Schwanzttouches, die viel positive Wirkung auf das Nervensystem haben, nehmen viele Katzen dann an – der Weg dorthin kann etwas länger sein, die Katze entscheidet, was wann geht und was  nicht. Und wenn sie merkt, dass wir dies respektieren, geschieht oft etwas, das sehr bewegt: Die Katze “gibt sich hin”.

Birga: Gibt es wissenschaftliche Studien zur Wirksamkeit von Tellington Touches?

Karina: In Kanada, wo die Tellingtonarbeit viel bekanntes ist wurde eine Studie zum Hängertraining bei Pferden durch Stephanie Shanahan während ihres Studiums an der University of Ontario Veterinary School at Guelph, Ontario, Canada durchgeführt und im renomierten Fachjournal „Journal of Applied Animal Welfare Science“ puzbliziert. Stephanie gewann für ihre Studie mit dem title “Behavioural and physiological measurement of the effectiveness of non-aversive training (TTEAM) for horses with trailer loading resistance” den American Veterinary Society of Animal Behavior's 'Award for Student Excellence in Applied Animal Behavior Research'.  

Birga:  Stressfrei auf den Hänger zu gehen ist bei Pferden ein ähnlich großes Problem wie bei Katzen der freiwillige stressfreie Gang in den Transportkorb. Wir nutzen im Katzentraining dafür den Clicker, um der Katze den Transportkorb schmackhaft zu machen und ihr die Angst davor zu nehmen.

Viele der Tellington-Griffe haben Tiernamen? Was ist die Geschichte dahinter?

Karina: Anfangs gab Linda den vielen verschiedenen TTouches Nummern zur Differenzierung. Dies erwies sich als nicht besonders einprägsam, daher überlegte sie, wie sich das einfacher gestalten könnte. Und da es damals eine reine Methode für Tiere war, gab sie den unterschiedlichen TTouches Namen von Tieren, die sie auf verschiedenste Weise mit den verschiedenen Handhaltungen verknüpfte. So z.B. der “Waschbär-TTouch”, der mit den Fingerkuppen ausgeführt wird – das erinnerte sie an die Pfotenhaltung der Waschbären, wenn sie etwas “waschen”.

Birga: Ich hatte vor vielen Jahren die Gelegenheit bei einer ihrer Deutschlandbesuche Linda Tellington Jones persönlich bei einem gemeinsamen Essen kennenzulernen. Wir sprachen unter anderen über meine frühere Arbeit für und mit Schneeleoparden. Im Rahmen des Nabu Schneeleopardenprojektes, dessen Projekt-Koordinatorin ich war, hatte ich viel Kontakt mit dem Zoo Zürich. Linda hat bei der Entwicklung ihrer Methode auch viel mit Wildtieren in Zoos weltweit gearbeitet. Ein wichtiger Tellington Touch ist der Clouded Leopard Touch, auf deutsch Wolkenleopard Touch genannt. Clouded Leopards ist eigentlich ein Nebelparder. Wie ist dieser Touch entstanden?

Karina: Die wörtliche Übersetzung von “Clouded Leopard” in “Wolkenleopard” resultiert aus der gewölbten Handhaltung bei diesem TTouch, die an eine Wolke erinnert. Und für mich persönlich ist es eine hommage an diese zutiefst beeindruckenden und so wundervollen und bezaubernden Nebelparder. Ich hoffe sehr, dass ihre bedrohte Art erhalten bleibt!

Birga: Damit auch Katzenhalter Tellington Touches für ihre Katzen erlernen können bieten wir einen interaktiven Live Onlinekurse im Rahmen unserer Cat Institute Online Akademie „Zeit für Katzen“ an. Was werden Katzenhalter in den beiden Kurse lernen können?

Karina: Mein Ziel ist den Teilnehmern und Teilnehmerinnen einige für ihren Alltag mit Katzen wichtige Grund-TTouches vzu vermitteln, so dass sie gemeinsam mit ihren Katzen schöne tiefgehende TTouch-Momente erleben können. Und sich dadurch sowohl gesundheitliche Themen verbessern als auch positive Verhaltensveränderungen ergeben können.

Tellingtonkurse für Katzen mit Karina Heuzeroth und Birga Dexel. Anmeldung zu den Tellington Kursen und anderen Katzenkurse der Online Akadamie: Einführung ins Tellington Training und die Vertiefung.

Liebe Karina, vielen Dank für das Gespräch. Ich freue mich auf unsere weitere Zusammenarbeit.