Katzen sind die Stars im World Wide Web. Profitieren sie auch davon?

Nicht nur im Internet sind Fotos und Videos von niedlichen Katzen und Kitten allgegenwärtig. Auch die seriöse Wochenzeitschrift „Die Zeit“ bebildert ihre Psychologiegeschichten mit Katzenbildern, auch wenn diese mit den Inhalten der Artikel nichts zu tun haben. Die Hoffnung hinter dem massenhaften Vervielfältigen von Katzenmotiven ist offensichtlich: gesteigerte Umsätze, Klicks und Likes, die neue Währung im Netz. Aber profitieren auch Katzen davon?
Anlässlich der ersten Verleihung der diesjährigen Catfluencer-Preise durch die TONY Petfluencer Agency am 20.11.2021 in Düsseldorf haben wir uns intensiver damit auseinandergesetzt, wie Katzen im Internet dargestellt werden und ob dies zu verbesserten katzengerechteren Haltungsbedingungen beiträgt.
Für uns als Katzentherapeuten und Katzenexperten steht natürlich immer das Wohl der Katzen im Vordergrund. Aber ist dies wirklich immer der Fall bei Cat Content im Netz?

 

Katzenfan und RTL-Moderatorin Jana Azizi hat mit Birga Dexel im Interview im Rahmen der Catfluencer Preisverleihung am 20.11.2021. (Das Video mit dem Interview auf der Bühne der Cat Lounge siehe weiter unten)

Jana: Katzen sind ja die offenkundigen Stars im Netz. Das Netz ist voll mit Fotos und Videos, hat das zu einem besseren Verständnis von Katzen und Katzenverhalten geführt oder wirkt sich das negativ auf Katzen aus?Ist das eine gute oder schlechte Entwicklung für Katzen?

Birga: Positiv ist, dass endlich richtig viel über Katzen geredet wird und sie die Aufmerksamkeit bekommen, die sie auch verdienen. Katzen, obwohl sie das beliebteste Haustier in der gesamten westlichen Hemisphäre sind, standen immer im Schatten von Hunden. Nichts gegen Hunde, tolle Tiere, aber Katzen sind keine kleine Hunde. Sie haben andere artgemäße Bedürfnisse, brauchen oft andere tiermedizinische Therapien und es ist wichtig, dass sie den Raum bekommen, den sie verdienen.

Aber wo Licht ist, ist auch Schatten. Uns fällt immer wieder auf, wie oft Verhalten von Katzen fehlgedeutet wird und etwas in Katzen rein interpretiert wird, was so nicht stimmt. Es gab mal ein Video, das viral ging, mit dem Titel „Backe Kuchen" oder so ähnlich, indem Katzen sich aus menschlicher Perspektive betrachtet anscheinend „lustig“ ein Pfotenduell lieferten. Nur war aus Perspektive der Katze nichts an der Situation lustig. Das Video zeigte Katzen, die einen Konflikt miteinander austrugen und eine stressige Situation durchlebten.

Wirklich Schaden bei Katzen haben dann die vor etlichen Jahren beliebten „Gurkenvideos“ verursacht. Katzen wurden sogar beim Fressen mit Salatgurken erschreckt, die man direkt hinter die ahnungslosen Tiere gelegt hatte. Diese erschraken sich häufig extrem vor diesen großen schlangenartigen Gebilden und etliche Halter lachten ihre Katzen herzhaft aus. Katzen sehen anders als wir Menschen und können Gegenstände, die direkt hinter ihnen liegen nicht eindeutig erkennen. Was für einige menschliche Betrachter lustig war, war für die Katzen mit großem Stress verbunden. Viele Katzenhalter weltweit dachten sich nichts weiter dabei und platzierten längliche Salatgurken auch hinter ihre Wohnungstiger. In Folge entwickelten einige der Katzen Verhaltensprobleme. Wir hatten eine Phase im Cat Institute, in der wir viele dieser verschreckten Katzen mit Angststörungen und/oder Unsauberkeit vorgestellt bekamen.

Jana: Du arbeitest ja schon seit mehr als 20 Jahren mit Katzen. Früher sogar mit Schneeleoparden. Wie bist du zu den Hauskatzen gekommen?

Birga: Ich habe bei meiner Arbeit mit und für Schneeleoparden erlebt, dass sich die großen Katzen in vielen Verhaltensaspekten nicht so sehr von meinen Hauskatzen Zuhause unterschieden. Diese Beobachtung hat mein Interesse geweckt und ich begann mich intensiv mit der Verhaltensbiologie der Hauskatze zu beschäftigen. Als ich damit anfing, gab es noch kaum fundierte Informationen und Studien zu dem Thema im deutschsprachigen Raum, sodass ich mich auf die englischsprachige Literatur aus den USA und Großbritannien gestürzt habe. Durch meine Studienzeit in England und meine langjährige Arbeit für die Environmental Investigation Agency (EIA) in London hatte ich genügend Kontakte und Zugang zu diesen Informationen.

Jana: Und worauf liegt der Fokus Eurer Arbeit im Cat Institute?

Birga: Der Fokus unserer Arbeit im Cat Institute liegt neben der Lösung von Verhaltensproblemen auf der Vermittlung moderner und gleichzeitig katzengerechter Therapie- und Trainingsmethoden für Katzenprofis und private Katzenhalter. Wir stehen mit Wissenschaftlern und Wissenschaftlerinnen verschiedenster Disziplinen sowie Tierärzten in regem Austausch und bemühen uns wissenschaftliche Erkenntnisse für Katzenhalter zu übersetzen und damit zugänglich sowie die Relevanz der Forschung für das Alltagsleben mit Katzen transparent zu machen.

Hier das Video zum Live Interview:

 

 

 

Jana: Viele lieben Katzen, andere Menschen haben Vorurteile gegenüber den Samtpfoten. Was sind die häufigsten Missverständnisse gegenüber Katzen?

Birga: Eine der folgenreichsten Fehlinterpretationen in Bezug auf Katzen ist, dass sie sich nicht eng an ihre Menschen binden würden. Sie gelten gemeinhin, als das perfekte Singletier und könnten problemlos 10 Stunden in der Wohnung zurückgelassen werden. Katzen werden immer wieder mit Hunden verglichen und viele adoptieren eine Katze, weil sie davon ausgehen, Katzen wären anspruchslos und eine gute Alternative, wenn man ein Haustier möchte, aber keine Zeit für einen Hund hat.

Nothing could be further from the truth. Katzen können sich extrem eng an ihre Menschen binden. Neuere Studien haben gezeigt, dass Katzen die Interaktion mit ihren Menschen wichtiger ist als Futter, sogar den gefräßigen Exemplaren? Katzen leiden, wenn sie alleine oder auch zu zweit ständig lange Zeit alleine ohne Ansprache in der Wohnung zurückgelassen werden. Sie sind extrem intelligent und von der Natur mit Supersinnen und physischen Fähigkeiten ausgestattet worden. Sie sind nicht dazu gemacht, ihr Leben ausschließlich auf unseren Sofas zu verdösen. Wer keine Zeit für einen Hund hat, hat auch keine Zeit für eine Katze. Die Adoption eines Tieres muss wohl überlegt sein, denn sie ist eine Entscheidung fürs Leben.  

Jana: Wie kann ich als Katzenfreundin Katzen ein gutes Leben geben. Was ist wirklich wichtig für Katzen?

Birga: Katzenhalter sollten sich intensiv mit den artgemäßen Bedürfnissen von Katzen beschäftigen, am besten bevor sie eine oder mehrere Katzen adoptieren. Wichtig ist auch viel Einfühlungsvermögen sowie ein sanfter liebevoller Umgang. Katzen mögen kein grobes Handling und brauchen Anregung für Körper und Psyche.

Jana: Du stehst ja mit Deinem Team für eine sehr moderne Art der Katzenhaltung und des Katzentrainings. Gibt es da auch Menschen, die sich schwer damit tun?

Birga: Es ist verständlich, dass es mitunter schwer sein lang gehegte Überzeugungen über Bord zu werfen. De facto ist es aber so, dass Katzen nicht mehr relativ frei und selbstbestimmt ein Leben auf Bauernhöfen oder im Freigang führen, sondern in unseren Wohnungen leben. Wir sind als Gesellschaft mobiler geworden, die Katzen müssen ihre angestammten Reviere verlassen, wenn sie mit uns umziehen. Zudem werden die Wohnungen aufgrund der Mietmisere und der hohen Mietpreise immer kleiner und Halter immer gestresster. Das alles hat Auswirkungen auf unsere Katzen, die so eng mit uns zusammenleben. Neue Herausforderungen brauchen neue, aber katzengerechte Lösungen. Eine Möglichkeit kann Leinengang in einem kontrollierten Grünareal sein. Wichtig ist aber auch, dass jede Katze ein Individuum ist und was für die eine Katze eine gute Lösung ist, ist es unter Umständen für eine andere Katzenpersönlichkeit nicht.  

Jana: Welche Fehler machen Halterinnen im Umgang mit Katzen am häufigsten?

Birga: Es werden zuweilen die grundlegenden Bedürfnisse von Katzen nicht wirklich verstanden oder bewusst übergangen, weil sie nicht ins Wohnkonzept passen wie zum Beispiel die obligatorischen zwei Klos für jede Katze. In einer Fernsehsendung hatten wir den Fall einer Interieur-Design-Bloggerin, die Probleme mit ihren Jungkatern hatte. Wir hätten für sie tolle hochwertige Katzenmöbel für die Wände, eine sogenannte Dritte Ebene, gesponsert bekommen, aber ihr war es wichtiger ihren Raum für Fotos jederzeit umgestalten zu können. Die Bedürfnisse ihrer Kater, die sie ihr durch ihre Verhaltensprobleme jeden Tag vor Augen führten, waren dabei leider zweitrangig.

Jana: Du drehst schon seit mehr als 15 Jahren mit Katzen, groß wie klein. Gibt es einen Tipp für die Katzenfreundinnen hier im Saal, die ihre Katzen im Netz präsentieren?

Birga: Es ist wichtig zu jeden Zeitpunkt genau auf die Bedürfnisse und Signale der Katze(n) zu achten, auch und gerade bei Fotoshootings und Videoshootings. Dabei kann es helfen seinen Blick über die Körpersprache bei Katzen zu schulen, um rechtzeitig zu erkennen und gegensteuern zu können, wenn der eigene Elan über die Grenzen der Katzen geht.

Es gibt unter Katzen extrovertierte und introvertierte Persönlichkeiten genau wie bei uns Menschen. Extrovertierte Katzen lieben es mitunter sich und ihre Fähigkeiten zu präsentieren, introvertierte eher nicht.

Dabei darf es ruhig auch mal lustig zugehen, solange es nicht zu Lasten von Katzen geht. Katzen beispielsweise übereinander zu stapeln macht nur den wenigsten Katzenexemplaren nichts aus! Für die meisten Katzen ist dies kein erstrebenswertes Szenario.

Jede und jeder trägt eine große Verantwortung als Pet- und Catfluencer: Man kann mit jedem Post auf Instagram oder Facebook, Reel, Tik Tok oder You-Tube-Video entscheiden für Katzen schädliche Trends oder hilfreichen und sinnvollen Cat Content zu verbreiten.

Hier geht es zum Video der Preisverleihung an die Petfluencerin des Jahres 2021 durch Birga Dexel. Let's get together for Cats again!.