Katzen: Freunde fürs Leben

Einer der hartnäckigsten Mythen über Katzen ist die Annahme, sie seien unsoziale und egoistische Kreaturen und nicht zu Freundschaften in der Lage. Sicherlich sind Sie als ausgewiesene Katzenfreunde auch schon mit derartigen Vorurteilen konfrontiert worden. Diese Ansicht hat Katzen sehr geschadet. Sie findet sich nicht nur in der breiten Öffentlichkeit, sondern auch teilweise in älterer wissenschaftlicher Literatur und ist schlichtweg falsch.

Katzen sind territoriale Solitärjäger. Biologisch betrachtet gibt es für sie außer in der Paarungszeit keine Notwendigkeit, mit Artgenossen zusammenzuleben und Freundschaften zu knüpfen. Trotz dieses weitgehend autarken Lebens sind Katzen fähig, Beziehungen und tiefe Freundschaften zu entwickeln, sowohl zu Artgenossen als auch zu ihren Menschen und zu anderen Tieren wie Hunden. Sie können sogar sehr gesellig sein und scheinen, wie Beobachtungen bezeugen, sich auch spontan zu größeren Ansammlung ohne für uns ersichtlichen Grund zu treffen, um nach einer gewissen Zeit der Gemeinsamkeit wieder friedfertig alleine ihrer Wege zu ziehen.

Katzen wählen ihre Freunde selber aus

Gerade wenn es um die Zusammenstellung eines harmonischen Mehrkatzenhaushalts geht, sollte man sich vergegenwärtigen, dass auch Katzen entsprechend ihres Charakters, ihrer Sozialisierung und ihrer Vorgeschichte ebenso wie wir individuelle Vorlieben haben. Im Unterschied zu Freigängern haben Wohnungskatzen nur eingeschränkte Möglichkeiten, einer Konfrontation mit kätzischen Mitbewohnern, die ihnen „vorgesetzt“ werden, aus dem Weg zu gehen. Sie können in der Regel nicht frei wählen, mit wem sie Kontakt haben möchten. Umso wichtiger ist es daher, für eine passende Konstellation in einer „Katzen- WG“ zu sorgen, wenn man die Grundlage für freundschaftliche Bande schaffen möchte. Die Hoffnung zahlreicher Katzenhalter, dass sich ihre Katze über jeden menschengewählten Neuzugang in der Katzengruppe freuen würde, gleicht einem Glücksspiel. Katzen entscheiden selbst, wen sie mögen und wen nicht - wen sie tolerieren oder vielleicht auch wen sie abgrundtief hassen oder von ganzem Herzen lieben. Wofür wir als verständige und motivierte Katzenmenschen allerdings sorgen können, sind passende Rahmenbedingungen. Positiv erlebte gemeinsame Zeit stärkt die Bindung sowohl zwischen Katze und Mensch als auch von Katzen untereinander. Dies können wir nutzen und unterstützen, wenn wir beispielsweise bei Interaktionsangeboten wie dem Clickertraining die Beziehung mit unserer Katze vertiefen oder die Individuen in einem Mehrkatzenhaushalt enger zusammenführen und so die Grundlage für Freundschaften legen. Mit bereits geschlossenen Katzenfreundschaften sollte stets behutsam und respektvoll umgegangen werden. Bei jeder Vermittlung von Tieren, sei es im Tierschutz oder vom Züchter, sollte bitte immer darauf geachtet werden, dass Katzen, die sich gut verstehen nicht getrennt werden dürfen. Hierbei sollten optische Merkmale kein Auswahlkriterium sein.

Neben dem „Vorwurf“ des Egoismus‘ hören wir auch immer wieder, dass sich Katzenhalter, mal scherzhaft, mal enttäuscht selbst als schnöde „Dosenöffner“ titulieren. Die Idee dahinter ist, dass die Katze lediglich auf ihren Vorteil bedacht sei und die wichtigste Funktion des Menschen im zur Verfügung stellen von Futter, sonstigen praktischen Ressourcen und Annehmlichkeiten bestünde – die Katze also rein aus funktionalen und opportunistischen Gründen unsere Nähe suche und aufrechterhielte.

Diese Annahme resultiert aus der althergebrachten Funktion der Katze als Mäusefängerin, auf die sie klassisch reduziert wurde und teilweise noch wird. Diese Rolle nimmt sie nunmehr nur noch im ländlichen Raum oder auf Bauernhöfen ein. Beide Seiten - Mensch und Katze - lebten eher aneinander vorbei –  es gab keine oder nur relativ wenig emotionale Überschneidungspunkte und Interaktion mit dem Menschen. Wenn die Katzen Glück hatten, bekamen sie hin und wieder ein Schälchen Rohmilch oder Essensreste oder fanden im Winter einen warmen Unterschlupf. Seitdem hat sich mit den veränderten Lebensbedingungen des Menschen auch der Stellenwert von Katzen grundlegend gewandelt. Die Produktion von industriell hergestelltem Katzenfutter Mitte des letzten Jahrhunderts war so etwas wie der Startschuss, dass die Katzen in unsere Wohnungen und gleichzeitig auch in unsere Herzen einziehen konnten.

Freundschaft bedeutet ein wirkliches Miteinander – bestenfalls auf Augenhöhe für einander da zu sein, die Bedürfnisse des Anderen ernst zu nehmen und auf den anderen zu achten. Freundschaft bedeutet eine Beziehung, die für beide auch emotional wichtig ist. Diese emotionale Bindung ist vom Leben zum gegenseitigen Nutzen deutlich zu unterscheiden.

Katzenfreunde suchen unsere Nähe, brauchen und genießen gemeinsam verbrachte Zeit und Ansprache, sie schätzen ihre Rituale und Verabredungen mit uns. Dabei sind sie keinesfalls wahllos – keiner der kätzischen oder menschlichen Gefährten ist beliebig ersetzbar. Auch wenn es vielen Menschen deutlich schwerer zu fallen scheint, die vergleichsweise subtile Kommunikation kätzischer Emotionen und Bedürfnisse im Gegensatz zu denen eines Hundes zu deuten, so treten diese in einigen Situationen auch für Ungeübte überdeutlich zutage: Katzen trauern, wenn sie einen Freund verloren haben und vermissen ihn, wenn er nicht in ihrem Leben ist. Kommen wir aus dem Urlaub zurück zeigen unsere Katzen oft zwei mögliche Reaktionen: die einen begrüßen uns schon an der Eingangstür und zeigen ihre Freude ganz offen, die anderen meiden uns eine Weile. Letztere zeigen uns deutlich, dass unsere Abwesenheit für sie nicht in Ordnung war. Denn den meisten unserer Katzen ist es nicht egal, wenn wir im Urlaub sind oder einen extrem langen Arbeitsalltag haben. Unter diesen Situationen leiden Wohnungskatzen oftmals deutlich stärker, da sie nicht wie Freigänger die Möglichkeit haben, draußen ein eigenes Leben zu führen und für sich selbst einen Ausgleich oder eine erfüllende Beschäftigung zu finden.

Wissenschaftliche Studien haben gezeigt, dass je mehr man dem Wunsch der Katze, wenn sie Kontakt haben möchte, entgegenkommt, umso toleranter und kooperativer wird sie sich auch unseren Bedürfnissen gegenüber verhalten und eine enge vertrauensvolle Bindung ermöglichen. Der Beginn einer wunderbaren Freundschaft…